"Kultur für Alle!"
03. Oktober 2023
#interview #schenkungskreislauf
Zugang zu Kunst und Kultur möglichst schwellenfrei zu ermöglichen, ist von Anfang an eine Herzensangelegenheit der 1:1 CONCERTS Projekte. So ist der Eintritt zu unseren Konzerten immer frei. Unsere Wirkung erzielen wir durch einen Schenkungskreislauf: Orte und Gastgeber:innen stellen Raum und Zeit zur Verfügung, viele Ehrenamtliche helfen mit. Die freiwilligen Spenden der Hörer:innen können dann mit ausgewählten regionalen Spendenpartnern weitere Kreise ziehen (mehr dazu: “Giving Circles”).
Für unsere Potsdamer 1:1 CONCERTS Premiere im Juli 2023 im Rahmen des "Face the Music” Festivals der Kammerakademie Postdam haben wir unseren Spendenaufruf an Kultür Potsdam gerichtet. 585 Euro haben die Hörer:innen der 1:1 CONCERTS gespendet. Dafür sind wir sehr dankbar! Unsere künstlerische Leiterin Franziska spricht mit Kristin Geschwäntner, der Projektleiterin von Kultür Potsdam, über unsere Zusammenarbeit.
Kristin, was genau ist Euer Anliegen mit dem Projekt Kultür Potsdam?
Wir möchten, dass es allen Potsdamer:innen möglich ist, am kulturellen und gesellschaftlichen Leben der Stadt teilzuhaben. Vielen Menschen war es schon lange nicht mehr möglich, sich Kultur zu leisten aufgrund eines geringen Einkommens. Seit der Inflation steigen die Kosten weiter. Kultur ist leider für noch mehr Menschen nicht mehr bezahlbar. Und genau da setzt das Projekt an.
Kultür Potsdam vermittelt Menschen mit geringem Einkommen Plätze für Kultur-, Sport- und Freizeitveranstaltungen. Und das kostenfrei. Sowohl die Aufnahme als Gast bei Kultür Potsdam, als auch die Besuche zu Veranstaltungen, die über uns gebucht werden, sind kostenfrei.
Das Angebot ist möglich durch die wunderbare Zusammenarbeit mit vielen Veranstalter:innen, die uns Plätze zur Verfügung stellen. Einen großen Dank dafür!
Wie genau macht ihr das? Und wie viele Menschen habt ihr damit schon besondere Erlebnisse ermöglicht?
Um Gast zu werden, müssen sich Interessierte aktiv bei Kultür Potsdam anmelden und ihr Einkommen nachweisen. Das geht einfach mit einem Flyer oder über ein Formular auf unserer Internetseite. Nach der Anmeldung tragen wir den Gast in unsere Datenbank ein. Die Datenbank ist das Herzstück unserer Arbeit. Sie verknüpft die Interessen der Gäste mit den Veranstaltungen und macht Vorschläge nach einem Rotationsprinzip; sie bucht und verschickt automatisch Bestellungen und Gästelisten. Das klingt vielleicht etwas kompliziert, passiert aber alles automatisch.
Die Datenbank schlägt also vor, dass ein Gast Interesse an einer bestimmten Veranstaltung, z.B. einem Theaterstück oder einem Konzert hat. Wir rufen diesen Gast an und fragen nach, ob er die vorgeschlagene Veranstaltung besuchen möchte. Ja, genau. Wir rufen die Gäste an, reden über die vorgeschlagene Veranstaltung, können aber auch alternative Veranstaltungen anbieten, wir geben Hinweise und besprechen den Ablauf für den Besuch. Bei Interesse buchen wir die Veranstaltung und der Gast steht mit seinem Namen auf der Gästeliste.
Kultür Potsdam ist in diesem Jahr 10 Jahre geworden. Insgesamt haben wir mittlerweile über 27.100 Plätze für Veranstaltungen vermittelt. Wir arbeiten mit über 270 Partnern, das sind Kulturpartner:innen und soziale Einrichtungen zusammen. Direkt oder mit Unterstützung sozialer Einrichtungen erreichen wir mit dem Angebot über 12.000 Menschen in Potsdam.
Initiativen wie Kultür Potsdam gibt es deutschlandweit. In den großen Städten Berlin, Hamburg, München, Düsseldorf, aber auch in kleineren wie Lübeck, Dresden, Leipzig, Oldenburg, Regensburg und vielen anderen. Wir sind in der Bundesvereinigung Kulturelle Teilhabe organisiert. Bisher haben alle Initiativen gemeinsam etwa 400.000 Plätze für Kulturveranstaltungen vermittelt und bundesweit etwa 45.000 Kulturgäste glücklich gemacht.
Wow, das ist wirklich beeindruckend. Ihr leistet damit einen sehr wichtigen Beitrag! Seit vielen Jahren kooperiert ihr u.a. auch mit der Kammerakademie Potsdam, deren Musiker:innen ja auch bei den 1:1 CONCERTS für den Spendenaufruf gespielt haben. Was verbindet Euch mit dem Orchester?
Die Kammerakademie gehört zu den Kulturpartner:innen der ersten Stunde. Seit 2013 verschenkt die Kammerakademie Kultür Gästen schöne Stunden. Die Begeisterung ist jedes Mal groß! Eine kleine Auszeit vom Alltag, Zeit zum Genießen und Auftanken. Danke dafür.
Ich persönlich mochte als Teenie klassische Konzerte nicht. Mittlerweile schätze ich Klassikkonzerte. Die Kammerakademie begeistert mich mit ihrer Vielfalt und Kreativität, sie schauen in die Zukunft und beschäftigen sich mit Nachhaltigkeitsthemen in der Musik, haben wunderbare Angebote für Kinder. Ich habe zwei Söhne und beide genießen Konzerte oder Musikworkshops wie beim “Face the Music” Festival. Mit den selbstgebauten Instrumenten geben sie noch immer Konzerte im Wohnzimmer.
Wir haben uns sehr gefreut, dass Du uns vor Ort bei der Umsetzung der 1:1 CONCERTS unterstützt hast. Wie hast du die Verwandlung der Zuhörer:innen erlebt?
Es war mir sehr wichtig, dabei zu sein. Ich war so neugierig und wollte gern euch kennenlernen und schauen, was so passiert. Der Tag war eine wunderbare Erfahrung. Ihr empfangt Menschen mit offenen Armen und Herzen. Unser Kennenlernen fühlte sich an wie ein freudiges Wiedersehen. Und sofort wurde ich mitgenommen in eine besondere Stimmung, sehr ruhig und bedächtig, etwas geheimnisvoll. Auf jeden Fall losgelöst vom Davor im Gewimmel des Alltags. Die Gäste kamen, sie waren aufgeregt, vorfreudig, aber auch abwartend, vielleicht auch skeptisch, denn sie wussten ja nicht, was genau passieren wird. Aber nach den sehr persönlichen Konzerten kamen die Gäste strahlend, verzaubert, freudig, auch mit Tränen in den Augen zurück. Alle waren berührt und bewegt von dem einzigartigen Erlebnis. Wunderbar fand ich, dass fast alle Gäste sich mit einem Brief bedankt oder ihre Gedanken geteilt haben. Das war besonders, denn wie oft schreiben wir heutzutage noch Briefe? Herzlichen Dank für diese wundervollen Geschenke und euer Engagement.
585 Euro Spenden sind von den 1:1 Hörer:innen gespendet worden - habt ihr konkrete Projektideen, was ihr aus diesen Spenden umsetzen möchtet? Wie können die Spenden im Sinne des Schenkungskreislaufes weiterwirken?
Vielen Dank, liebe Spender:innen! Der Verein Neue Kulturwege, der hinter dem Projekt Kultür Potsdam steht, ist gemeinnützig. Wir sind auf Förderungen und Spenden angewiesen. Spenden sichern unsere Arbeit ab und sind dringend notwendig, um z.B. weitere Förderanträge stellen zu können, für die meist ein finanzieller Eigenanteil erbracht werden muss.
Aber die 585 Euro der Zuhörer:innen sind ein wichtiger finanzieller Anteil zur Finanzierung einer neuen Software zur Vermittlung. Ohne eine Software, die speziell auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten ist, wie oben bereits erwähnt, können wir unsere Arbeit nicht leisten. Daher haben sich einige Initiativen der Bundesvereinigung zusammengeschlossen, um eine neue Software entwickeln zu lassen, die alle Bedürfnisse abdeckt und somit sehr komplex ist. Eine Standardlösung gibt es nicht.
Wir möchten auch in Zukunft sicher und verantwortungsbewusst Kunst und Kultur vermitteln. Denn auch unsere KultürGäste und Partner bestätigen immer wieder, wie wichtig die kulturelle und soziale Teilhabe ist und berichten von ihren Kulturerlebnissen. Jede Unterstützung hilft, eine schönere Zukunft für alle zu ermöglichen.
Habt ihr weitere Pläne oder Projekte? Wo seht ihr euch in Zukunft?
Wir haben viele Ideen und Pläne, die sich natürlich alle um kulturelle Teilhabe drehen. Zur Feier des 10. Geburtstag von Kultür Potsdam im August diesen Jahres hat der Neue Kulturwege e.V. der Stadt Potsdam, den Kulturinteressierten und Kulturschaffenden eine neue Website geschenkt: www.eintrittfrei-potsdam.de. Hier sammeln wir kostenfreie Veranstaltungen in Potsdam und geben einen Überblick über die breite Kulturlandschaft, die erlebt werden kann - ohne Eintritt. Das Projekt ist gefördert durch die Deutsche Postcode Lotterie.
Für das kommende Jahr haben wir weitere Förderungen beantragt, um noch mehr Menschen in Potsdam mit schönen Erlebnissen beschenken zu können. Wir wollen Kulturerlebnisse direkt zu Menschen bringen.
Danke liebe Kristin. Dafür drücken wir Euch die Daumen!
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