„Ich habe gemerkt, wie flüchtig ich doch bin.“ 30. August 2023

#impressionen aus potsdam

© Stefan Gloede

Potsdam ist bekannt für seine kulturelle Vielfalt und seine faszinierende Musikszene - inmitten dieser musikalischen Stadt haben die 1zu1 Konzerte dieses Jahr zum ersten Mal auch die Herzen der Potsdamer:innen erobert. Die Idee hinter dieser kleinen, aber feinen Konzertform ist es, den Besucher:innen ein ganz persönliches Erlebnis zu bieten, indem sie individuell  einem einzigen Zuhörer oder einer Zuhörerin gewidmet sind. Dadurch entsteht eine intime Verbindung zwischen Künstler und Publikum, die in herkömmlichen Konzerten und großen Konzerthallen oft verloren geht. Aber nicht so bei der Kammerakademie Potsdam, dem Spitzenorchester der brandenburgischen Landeshauptstadt, das mit seinem Festival Face the Music! im Juli zu einem begegnungsreichen musikalischen Wochenende rund um Zukunftsfragen einlud! Darunter eine Interpretation der „Vier Jahreszeiten“ mit Nachwuchsmusiker:innen und der Oxymoron Dance Company, Up-Cycling Workshops, Pop-Up-Konzerten inspiriert von den 17 UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung - und den 1:1 CONCERTS.

Zwei Potsdamer Institutionen öffneten für die über 70 intimen 1zu1 Konzerte mit den Musiker:innen der Kammerakademie ihre Türen: das RIFS Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit und das Waschhaus Potsdam. Dabei blieb der konkrete Spielort bis zu Beginn des Konzertes eine Überraschung, wie auch der Name des Musikers oder der Musikerin und das Instrument. Jeder Hörer und jede Hörerin, darunter auch zahlreiche Kinder, wird persönlich von einem Gastgeber oder Gastgeberin begrüßt und durch die Konzertsession begleitet. Auch bei diesem Projekt haben uns wieder viele ehrenamtliche Mitwirkende unterstützt - vielen Dank dafür! 

© Stefan Gloede

Das RIFS Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit, das in einem ehemaligen Bankgebäude seine Büros beheimatet, ließ uns in seine Tiefgarage „einfahren”, hier spielten Violinist Thomas Kretschmer und Cellistin Jule Hinrichsen. Judith Schäfer, eine der Gastgeberinnen im RIFS, drückt ihre Begeisterung und die emotionale Wirkung der 1:1 Konzerte wie folgt aus:

Besonders in Erinnerung geblieben ist mir mein letzter Gast, der mit sprachlos Tränen in den Augen von seinem Konzert zurückkehrte und einen Moment brauchte, um sich zu sammeln. Auch die Musiker:innen wurden im Laufe der Zeit ruhiger und gewöhnten sich allmählich an die anfangs ungewohnte Intimität. Ich fand es sehr eindrucksvoll zu erleben, wie viele Emotionen durch den Raum, die Stille und die Musik erzeugt werden können.

© Stefan Gloede

Im ehemaligen Tresorraum, jetzt Yoga und Entspannungsinsel, führten uns Geigerin Julita Forck und  Schlagzeuger Friedemann Werzlau in entspannte Sphären. Armin Laszlo Halbach, ein weiterer Gastgeber vom RIFS, teilt seine persönlichen Eindrücke und Emotionen wie folgt:

Für mich war es eine bereichernde Aufgabe, ganz unterschiedliche Menschen am Institut willkommen zu heißen und sie auf ein achtsames Erleben mit offenem Herzen einstimmen zu dürfen. Die hochemotionalen Reaktionen auf die intime Konzertsituation mitzuerleben hat mich selbst stark bewegt.

Die Dachterrasse mit herrlichem Blick über Potsdam verwandelten Alma-Sophie Starke, Violoncello und Flötistin Bettina Lange. Die Klänge von Debussys Syrinx oder Bachs Cellosuite schwebten herrlich über den Dächern in der Nachbarschaft und ließen weitere Gäste heimlich teilhaben.

© Stefan Gloede

Das Waschhaus Potsdam - wo normalerweise Peter Fox und Co für laute Action sorgen - ließ mit einer Bläserfraktion aus Klarinette (Julius Engelbach) und Fagott (Florian Bensch) die klassischen Klänge in ihrem Kesselhaus erklingen. Im bunt erleuchteten Clubraum spielten Jan Böttcher (Oboe), Christoph Knitt (Fagott) und Christoph Starke (Viola). Den Blick hinter die Kulissen des vielseitigsten und besucherstärksten Kulturbetriebs des Landes Brandenburg konnte man im vollgepackten Technikraum unter der Open-Air-Bühne mit der Cellistin Nika Somborac und Flötist Avner Geiger wagen. Letzterer bringt seine Erlebnisse als Musiker bei den 1:1 CONCERTS so zum Ausdruck:

Es war eine tiefe Erfahrung, von Verbindung, Spontanität und Kommunikation - ohne Wörter und mehr als Worte. Ich bin sehr froh, als Musiker Teil dieses Projektes zu sein.

Flötist Avner Geiger im Technikraum unter der Open-Air Bühne im Waschhaus Potsdam

© Stefan Gloede

Der stets freie Eintritt zu den 1:1 CONCERTS ist immer mit einem Spendenaufruf verbunden. Bei diesem Projekt haben wir einen lokalen Sozialpartner unterstützt: Kultür Potsdam ermöglicht seit mittlerweile 10 Jahren Menschen mit einem geringen Einkommen den kostenfreien Besuch von Kultur-, Sport- und Freizeitveranstaltungen und macht Kultur für alle zugänglich. Insgesamt konnten wir mit dieser Veranstaltung 585 Euro Spenden erwirken. VIELEN DANK an alle Spenderinnen und Spender. Lest im folgenden Interview mit der Leiterin von Kultür Potsdam - Kristin Geschwäntner - was mit den Spenden bewirkt werden kann:

Parallel zum künstlerischen Programm fand die Tagung „Orchester nachhaltig weiterentwickeln“ am RIFS Potsdam statt, die Musikschaffende aus ganz Deutschland zusammengebracht hat, um über zukunftsweisende Konzepte und Ideen für die Weiterentwicklung von Orchestern zu diskutieren. Unsere künstlerische Leiterin Franziska Ritter moderierte das Panel zum Thema Entschleunigung, das mit einem Impulsvortrag des Komponisten Bernhard König eröffnet wurde.

Franziska Ritter (1:1 CONCERTS e.V), Kristin Geschwäntner (Kultür) und Alexander Hollensteiner (Kammerakademie Potsdam) freuen sich über die zahlreichen Spenden der 1:1 Hörer:innen

© Stefan Gloede

In der anschließenden Podiumsdiskussion haben Bettina Lange von der Kammerakademie Potsdam und Teresa Monfared von Bühnenmütter e.V. ihre persönlichen Erfahrungen und Perspektiven zum Thema Familienfreundlichkeit, berufliche Überforderung und Ansätze für die Entschleunigung im Kulturbetrieb geteilt. Sie wiesen dabei auf die mangelnde Wertschätzung der Care-Arbeit hin und betonten die Notwendigkeit von geförderten Ruhephasen, um kritische Reflexionen und konkrete Innovationen zu ermöglichen.

Die Kombination aus den 1:1 Konzerten und der Tagung machte das Wochenende in Potsdam zu einem inspirierenden Erlebnis für alle Beteiligten. Das Wochenende bot somit eine wertvolle Plattform für den Austausch über die Herausforderungen und Potenziale einer entschleunigten und nachhaltigen Entwicklung im Konzertbetrieb. 

Alexander Hollensteiner, Geschäftsführer der Kammerakademie Potsdam, bringt seine Dankbarkeit zum Ausdruck:

Ihr habt unser Face the Music Festival stark bereichert und mit diesem besonderen Konzertformat vielen Menschen einen entschleunigten Moment bereitet! Wir sind begeistert vom Engagement und der Leidenschaft aller Mitwirkenden, die dieses Wochenende zu einem unvergesslichen Ereignis gemacht haben.

Wir sind gespannt, wie sich die 1:1 Konzerte mit der Kammerakademie in Zukunft entwickeln und freuen uns auf weitere außergewöhnliche musikalische Erlebnisse in Potsdam und darüber hinaus.

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