Tuttifonds #Gelebte Solidarität 09.10. - 09.12.2026
Der Tuttifonds ist ein unabhängiges Solidaritätsprojekt zur Stärkung und Immunisierung der vielfältigen Kunst- und Kulturszene. Aus dem TUNED Netzwerk für zeitgenössische Klassik der Kulturstiftung des Bundes heraus - auf der Ideenwerkstatt in Köthen im Herbst 2024 - haben sich eigeninitiativ Kreativschaffende aus dem Netzwerk zusammengetan, um die Idee einer freiwilligen 1%-Abgabe von Kultureinrichtungen für einen Tuttifonds zu diskutieren. Ziel ist es, ein Verfahren zu etablieren, das in Notlagen kurzfristig und unkompliziert Unterstützung leisten und ein Zeichen gegen kulturfeindliche Entscheidungen setzen kann.
Wie kann ein faires Modell der Beitragszahlung aussehen?
Welche Antrags- und Verteilungsszenarien sind denkbar?
Wie können wir einen gesellschaftlichen Mehrwert kreieren, ohne die Kulturpolitik aus ihrer Verantwortung zu nehmen?
Mitmachen?
Diese und weitere Fragen werden in regelmäßigen Online-Sessions diskutiert. Wir treffen uns regelmäßig 1x im Monat. Mitstreiter:innen jederzeit gern willkommen!
Nächster Zoom: Dienstag 9. Dezember von 17 bis 19 Uhr
Kontakt: tuttifonds@gmail.com
Initiator*innen:
Amadeus Templeton (TONALi gGmbH), Franziska Ritter (1:1 CONCERTS e.V.), Johannes Leuschner (Beethovenfest Bonn), Julian Rieken, Saskia Bladt (tō), Ilka Seifert, Aurelia Georgiou, Johanna-Leonore Dahlhoff (Bridges Kammerorchester), Philipp Krechlak (Deutscher Orchestertag), Tim Vollmann (Musaik – Grenzenlos musizieren e.V.), Rebecca Zimmermann (Stiftung Kulturzukunft Bayern / alma change) und weitere.
Ausgangslage und Kontext
Die politische Entwicklung in Deutschland und weltweit gibt Anlass zur Besorgnis. Rechte und neoliberale Ideologien gewinnen an Einfluss, autoritäre Regierungen greifen gezielt in die Freiheit von Kunst und Kultur ein. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und kulturelle Teilhabe wird zunehmend eingeschränkt – oft schleichend, manchmal mit direkter Offenheit. Wo das Offene, das Vielfältige, das Zweifelnde, das Widersprüchliche Platz haben sollten, werden Grenzen gezogen, Zugehörigkeiten definiert, Abweichungen sanktioniert und zensiert. In den USA werden Kunstwerke entfernt, weil sie zu kritisch sind; in Ungarn ist die freie Kulturszene weitgehend entmachtet. Auch in Deutschland nehmen Angriffe auf Künstler*innen, Festivals und Institutionen zu. Spätestens mit der Bundestagswahl 2029 könnten illiberale Kräfte die Kunstfreiheit weiter einschränken, Fördermittel an politische Loyalität binden und bestimmen, was „förderungswürdige Kunst“ ist. Eine Kulturpolitik, die Freiheit durch Ideologie ersetzt, konterkariert die Grundlagen einer offenen Gesellschaft. Kunst ist kein Ornament, sondern Prüfstein der Demokratie.
Bereits heute werden die Mittel, die Kunst ermöglichen, mancherorts politisch intendiert beschnitten. Öffentliche Förderung schrumpft, Budgets werden gekürzt, Projekte gestrichen. Diese Einsparungen sind kein Verwaltungsakt – sie sind ein politisches Signal und sagen: Kultur ist verzichtbar, Teilhabe zweitrangig. Freie und kritische Kunst ist an Bedingungen geknüpft. Doch Kultur darf sich nicht in Konkurrenz zerreiben. Förderlogiken, die Künstler*innen gegeneinander ausspielen, zerstören das Gemeinsame. Wenn der Druck der Knappheit jeden in den Überlebensmodus zwingt, bleibt keine Kraft für eine freie und vielfältige Kulturlandschaft.
Beim Planspiel auf dem TUNED Ideenfestival in Bochum 2025 testen Teilnehmer:innen verschiedene Vergabeverfahren spielerisch. Hier diskutiert ein unabhängiger Bürgerrat über die Ausschüttung von 50.000 Euro.
Solidarisierung als kulturelle Resilienz
Solidarität ist kein Zustand, sondern ein Tun – ein Verb. Wer „solidarisch ist“, bleibt passiv; wer „solidarisiert“, handelt, teilt, interveniert. Solidarität zeigt sich nicht in Worten und Programmtexten, sondern im Machen. Der Tuttifonds setzt hier an: als Entwurf, Solidarität im Kulturbereich nicht nur zu fordern, sondern strukturell zu verankern. Der Fonds versteht Solidarität als Tätigkeit – als aktives Teilen, Öffnen und Abgeben von Ressourcen, Macht und Verantwortung. Es geht darum, Gemeinschaften zu bilden, Vielfalt zu ermöglichen und grenzübergreifend offen zu bleiben.
Solidarität entsteht dort, wo Akteur*innen bereit sind, auf Privilegien zu verzichten, Machtverhältnisse zu hinterfragen und Mittel konkret abzugeben – auch dann, wenn es unbequem ist. Der Tuttifonds ist kein Sozialtopf, sondern ein kollektives Instrument, um Handlungsfähigkeit und Verantwortung neu zu gestalten. Er schafft die Grundlage, damit Kunstfreiheit, kulturelle Vielfalt und gesellschaftliche Teilhabe langfristig gesichert werden können.
Mit einem gewichteten Losverfahren lassen sich 50.000 Euro schneller verteiler, aber ist es auch fairer?