Die Kunst des Miteinanders
28. Februar 2025
#1to1dialogues

Christian: Ganz herzlich willkommen zur zweiten Ausgabe unserer diesjährigen 1:1 DIALOGUE-Reihe, die wir um das eins-zu-eins immanente Motiv der Überraschung erweitert haben: es gibt ein richtiges „Blind Date“ und auch ein „Blind Topic“. In der letzten Folge wurde ich von Franziska mit dem Gast Anemone aus Hamburg überrascht, die sich mit ihrem Unternehmen „Vergiss Mein Nie“ der Trauerarbeit widmet.
Mit ihr konnte ich über das Thema Resonanz sprechen - ein sehr nachhaltig resonierendes und auch persönlich bewegendes Thema! Heute kommt der Gegenvorschlag: Ich darf meine Kollegin Franziska überraschen mit ihrem heutigen Gast, den ich an dieser Stelle begrüßen darf. Es ist Johannes Leuschner. Herzlich willkommen, Johannes.
Johannes: Hi Christian, danke dir.
Christian: Schön, dass du bei dieser Überraschung mitmachst, das freut mich sehr. Franziska ist, glaube ich, schon ganz aufgeregt. Sie weiß ja noch nicht, wer gleich ihr Gast sein wird. Kurz zu dir, Johannes: Du bist Leiter der Development-Abteilung des Beethovenfests, wo Franziska und ich letztes Jahr „Inside Artists“ waren, also eine Art Künstlerresidenz hatten. Da haben wir sehr viele unterschiedliche außergewöhnliche Dinge erlebt und du bringst auch ein Thema mit, das damit zu tun hat, nämlich…
Johannes: … das Thema „Miteinander“.
Christian: Ganz genau! Und worum es da geht, das wirst du gleich erklären, denn ich freue mich jetzt, dich mit Franziska zu verknüpfen. Ich öffne quasi jetzt die Türe zu deinem Eins-zu-eins und wünsche dir und euch ganz viel Vergnügen.

Johannes: Hallo Franziska! „Me again!“ oder was soll ich sagen?
Franziska: Was für eine tolle Überraschung, Johannes! Ich denke schon den ganzen Tag darüber nach, was Christian heute am Valentinstag für mich im Gepäck hat. Johannes, ich freue mich total, dich zu sehen.
Johannes: Ich freue mich auch sehr, dich zu sehen. Das baut fast schon auf eine Routine auf, hätte ich bald gesagt. Und ich glaube, weil du auch das Stichwort Valentinstag gesagt hast, passt das Thema über Eck ganz gut. Was ich nämlich mitbringe, was allgemein aber vielleicht auch uns persönlich verbindet und v.a. im letzten Jahr beruflich verbunden hat, ist das Schlagwort: Miteinander. Das hat ja auch wesentlich unser gemeinsames Projekt bzw. unsere Zusammenarbeit geprägt.
Franziska: Absolut. Und wie schön, dass wir jetzt noch einmal „miteinander sein“ dürfen.
Johannes: Also warum das Thema Miteinander? Nun, das war das Motto des letzten Beethovenfests und wir haben uns unter diesem Claim ganz viel dem Thema von Teilhabe, Demokratie und gegenseitigem Austausch gewidmet. Und im Festival-Kontext stellt sich ja besonders die Frage: Wie senden wir nicht nur, sondern wie empfangen wir auch von Menschen, von unserem Publikum, von unterschiedlichen Gruppen, die wir erreichen wollen?
Und so ganz konkret haben wir das auch bei „Inside Artists“ zusammen probiert, wo du und Christian quasi eine Residency bei uns über mehrere Monate hattet. Dort haben wir uns zu diesem Begriff oder auch zum Begriff Gastgeberschaft, aber auch zu Begegnung im Kleinen wie im Großen viele Gedanken gemacht.
Und da haben wir als Beethovenfest und auch ich ganz persönlich durch eure Inputs viel gelernt. Hast du auch das „Miteinander“ in diesem Projekt und diese Auswirkungen auf das Festival gespürt?
Franziska: Total, das kann ich nur bestätigen. Inside Artists - der Name war Programm! Ich hatte tatsächlich relativ zügig das Gefühl, wir sind Teil eures Teams, dürfen Quatsch machen, Kritik üben, stören, übers Ziel hinausschießen, werden gegebenenfalls sanft zurückgerudert usw. Und wir konnten Dinge kreieren, die man vielleicht sonst in so einer „normalen“ Zusammenarbeit - wie man das sonst kennt von Künstler:innen und Festivals - vielleicht nicht so weit zustande bekommt. Man kann da jetzt als Überschrift groß Co-Kreation drüber schreiben, aber ich finde, das trifft es nur so bedingt.
Johannes: Es war ja wie eine Art Grundhaltung, die wir zusammen entwickelt haben, die man auch als “Miteinander” benennen konnte. Es war ja davon geprägt, dass zum einen ihr als 1:1Team und wir als Beethovenfest unsere Ideen, unsere Haltungen dazu haben und die Projekte schließlich miteinander erarbeitet haben.
Gleichzeitig war auch das Format stark davon geprägt. Also nicht nur, dass ihr euch in eurem Team ganz regelmäßig gesehen habt, digital. Ihr wart auch alle zwei Monate über mindestens zwei Tage bei uns in Bonn. Da haben wir ganz intensiv die Köpfe zusammengesteckt, produktiv miteinander gesprochen und großartig reflektiert und gebrainstormt. Was war denn für dich der stärkste Moment des Miteinanders?
Franziska: Ah, interessant, das wollte ich dich eigentlich gerade fragen. Einer der stärksten Momente ist eher ein Gefühl: dass wir relativ zügig einfach auch als Mensch da waren, also als Christian, als Franziska, du als Johannes. Das kam ziemlich schnell nach dem ersten Workshop, hier darf man einfach sein und zwar so, wie man ist, mit allen Stärken und Schwächen - Künstlerpersönlichkeit hin oder her. Wir begegnen uns echt und authentisch. Ob die Kinder krank sind oder ob man Stress auf irgendeiner anderen beruflichen Schiene hat oder so, das durfte alles sein. Und ich finde, das ist eine starke Qualität. Das habe ich sehr genossen in dieser Zusammenarbeit, mit all unseren doch sehr diversen Charakteren, von Langsamkeit und Schnelligkeit etc. Und alles hatte seine Qualität! Es ist ja nicht nur so, dass das immer wie geschnitten Brot ging, jeder künstlerische Prozess hat Höhen und Tiefen und braucht Reibung, aber ich fand es wunderbar, dass wir es offensichtlich geschafft haben, so einen geschützten Raum zu kreieren, wo wir einfach sein konnten.
Und so wünsche ich mir eigentlich jede andere Art der Zusammenarbeit. Und das macht es momentan echt schwer, nach unserem Projekt in anderen Projekten weiterzuarbeiten, weil man mittlerweile doch einen gewissen Anspruch entwickelt hat, wie man arbeiten möchte. Und das, fand ich, waren die stärksten Momente immer wieder, wo ich so gemerkt habe, wow, wir begegnen uns hier als Menschen und nicht nur als Franziska Ritter von 1:1 CONCERTS sondern als Franziska.
Wie ging dir das, Johannes? Hast du solche Momente auch gehabt?
Johannes: Ja, total. Es waren am Ende ganz viele Momente, bei denen ich das gehört habe. Wir haben uns ja - oder vor allem ihr habt euch ja mit unseren Kolleg:innen beim Beethovenfest - ganz viel überlegt. Angefangen bei einer Blumenübergabe-Aktion mit dem Bratschisten Nils Mönkemeyer oder bei einem Konzert über Pausen-Gespräche, die ihr zwischen euch und dem Publikum angeleitet habt. Und so habt ihr die Menschen einfach in einen Austausch und in eine persönliche Begegnung verwoben. Von diesen Momenten gab es ja unzählige, die irgendwie sehr prägend und auch sehr nachhaltig waren. Eigentlich ist es eher so die Essenz, die daraus kam.
Es war sehr viel Arbeit und es gab auch viele Rahmenbedingungen, auf die man Rücksicht nehmen musste. Aber wenn man letztendlich die Reaktionen der Leute bedenkt und wie sie mitgemacht haben bei diesen Momenten - Menschen, die ja situativ nicht diesen ganzen Vorlauf hatten wie wir, die sich über Monate nicht kannten. Aber sie waren einfach mit drin, haben das total begeistert aufgenommen und uns ganz viel im Nachgang davon berichtet, dass das für sie “Sternmomente”, also außergewöhnliche Momente der Begegnung waren, die sie gar nicht erwartet haben. Das hat sich meines Erachtens total gelohnt und wir können daraus sehr viel mitnehmen.
Etwa als grundsätzliches Modell für unser Festival, aber auch einfach diese Grundhaltung, egal ob beruflich oder privat. Dieses „sich Zeit nehmen füreinander“ und auch Beziehungen und Gespräche entstehen lassen, nicht das „geschnitten Brot“ wie du vorhin meintest, das brauchst du gar nicht immer.
Franziska: Und hast du das Gefühl, es hat eure Festivalarbeit auch für dieses Jahr beeinflusst? Also habt ihr es im Team geschafft, eine andere “Gangart” zu entwickeln?
Johannes: Das sind ja manchmal die kleinen Dinge, an denen man das festmacht. Ich glaube, wir hatten auch sehr besondere Rahmenbedingungen, dass wir uns im letzten Jahr diese Schutzräume in vertraulicher Umgebung geben konnten. Wenn man dann irgendwann wieder in die eigene Realität reinkommt und dann nicht so viele Möglichkeiten hat, was die Ressourcen und Kapazitäten anbelangt, kann so ein Projekt aus dem letzten Jahr eine gute Brücke sein. Gerade wenn es um die Programmgestaltung oder die Frage geht, was wollen wir einem Publikum bieten, das über das erlebte Konzert hinaus wirkt, dann spielt das jetzt alles weiterhin eine Rolle. Das haben wir total mitgenommen. Ja, und einfach auch natürlich dieser Spirit und diese Diskussionsfreudigkeit, dieses Zulassen unterschiedlicher Standpunkte - immer zu erkennen, dass darin ganz viel Produktives und Zugewandtes steckt.
Und für euch? Gibt es das auch bei euch?
Franziska: Naja, ich merke, dass diese intensive Auseinandersetzung mit den Themen auch auf theoretischer Ebene eine totale Bereicherung, wie eine Art Deep Dive war, der lange nachwirkt. Wir haben ja zu Beginn sehr viel recherchiert zum Thema Experience Design zum Beispiel. Also: Wie gestalte ich gute Erlebnisse und resonanzreiche Konzerterlebnisse? Dieses Wissen nehme ich mit in meine neuen Projekte oder an meinen Unterricht an verschiedenen Hochschulen.
Und ich meine, Johannes, heute am Valentinstag kommen wir ja auch nicht so richtig drumrum, auch über die Ebene der Liebe zu sprechen, was ein sehr großer Begriff ist! Aber ich denke - um jetzt den Bogen zum Beginn unseres Gespräches zu spannen, einer der Schlüssel ist, dass wir uns mit Liebe und Hingabe etwas widmen! Nämlich genau diesen ganzen kleinen Details, die ein gutes Programm tragen, oder wie man zum Beispiel eine schöne Begegnung gestaltet, wie man seine Gäste am Eingang eines Konzertes begrüßt oder wie man sich auch wieder verabschiedet (Last Impression / First Impression). All diese Themen haben wir ja ausprobiert und getestet, Varianten entwickelt und umgesetzt. Und das haben wir, so glaube ich zumindest, auch mit in alle weiteren Projekte getragen, diese liebevolle Hingabe und der Blick auf die Details: dass es sich lohnt da, auch wenn es immer wahnsinnig viel Zeit kostet und viel Diskussion erfordert, und man manchmal denkt: „Oh wirklich, müssen wir das jetzt hier noch bis zum Get-No zu Ende diskutieren?“ Also: ob du jetzt die rechte oder linke Hand nimmst oder ob das Logo rechts oder links ist. Und ich würde jetzt ein großes Credo aussprechen: Ja! Es lohnt sich!
Und das macht glaube ich auch die 1 zu 1 Konzerte so besonders - die können nur vollends wirken, wenn sie in jedem Detail so wunderbar umgesetzt werden, wie wir sie irgendwann einmal konzipiert haben. Das hast du ja vielleicht auch vor Ort gemerkt, Johannes? Du warst ja auch einer der Gastgeber bei den 1:1 CONCERTS. Einerseits ist es da wichtig, was wir am Anfang hatten, dieses authentisch sein, Mensch sein, echt sein und gleichzeitig aber hingebungsvoll, liebevoll sich jedes Detail anzuschauen und durchzuführen.
Das nehme ich so mit. Das ist mir im letzten Jahr nochmal so viel klarer geworden. Es lohnt sich da, was Christian immer sagt: walking the extra mile. Und das hat genau damit zu tun. Da könnte ich jetzt ganz viele Beispiele aus unserer Zusammenarbeit nennen. Wir hatten ja einen Moment, ich glaube, es hieß im Arbeitstitel so etwas wie „Teamsternwichteln” oder so. Da hat so eine Art Wichteln stattgefunden, wobei jede:r jemand anderes überrascht hat - wie wir beide uns heute - und eine Idee eingebracht hat, die aber völlig frei gestaltet werden konnte. Was hast du denn für eine Überraschung bekommen, Johannes?
Johannes: Ich möchte gerne davon berichten, was ich bekommen habe, das war wirklich toll. Grundsätzlich war das eine total super Sache. Man wusste ja natürlich nicht, wen man gezogen hat, das war wirklich dieses klassische Wichteln. Man sollte einfach einen besonderen Moment für ein anderes Teammitglied gestalten. Mein Sternenwichtel-Moment kam gegen Ende des Festivals. Ich bekam einen ganz lieben herzlichen Brief mit dem Link zu einer persönlich für mich kuratierten Spotify-Playlist. Da hatte sich jemand unglaublich viele Gedanken über meine persönlichen Vorlieben gemacht. Ich bin immer jemand bei uns im Team, der auf irgendwelchen Feiern oder so eine Spotify-Playlist mitbringt. Oder ich versuche, so prägende Songs einzubringen, die dann auf irgendwelchen Autofahrten von A nach B während des Festivals gehört werden. Und das hat irgendjemand total mitgeschnitten und dann entsprechend sortiert und am Ende eine Playlist von 15 oder 16 Songs zu vielen prägenden Festivalkonzerten erstellt, jeder mit einem kleinen Kommentar versehen, warum das jetzt hier drin ist. Ich setze mir die Kopfhörer auf, kann mir das anhören und einen kurzen Moment für mich genießen. Das hat mich irre gefreut, wie jemand dann aus dieser Challenge heraus sich ganz offensichtlich mit mir persönlich auseinandergesetzt hat. Das war total überraschend für mich und ich hätte überhaupt nicht mit so etwas gerechnet, aber es war total schön und aber auch irgendwie praktisch für diese Situation.
Franziska: Wie schön! Und Hand aufs Herz: würde sich das jetzt verändern, wenn du wüsstest, wer es war? Oder ist es nicht sogar irgendwie besonders, weil das offengelassen wird und du nicht weißt, wer es dir geschenkt hat? Wird das Geschenk so vielleicht sogar nochmal umso resonanzreicher?
Johannes: Das ist eine gute Frage, wahrscheinlich beides. Natürlich wäre ich neugierig und würde mich total gerne bedanken und der Person sagen wollen, wie gelungen ich das fand oder wie sehr mich das auch persönlich berührt hat.
Franziska: Aber das machst du ja jetzt hiermit. Oder sollen wir aufrufen, dass er oder sie sich bei dir meldet?
Johannes: Nein, das überlassen wir der Person selbst.
Franziska: Wie schön. Oh, was für ein tolles Geschenk, das macht mir ganz viel Gänsehaut. Dankeschön fürs Teilen.
Johannes: Ja, das habt ihr uns mit eurem Spirit ein Stück weit mitgebracht. Das war einfach total wichtig. Mir ist auch in so einer Teamkonstellation persönliche Zugewandtheit sehr wichtig, man muss jetzt nicht immer von Freundschaft oder sowas sprechen. Aber dass man sich über die Arbeitsbeziehung hinaus umeinander kümmert, das finde ich extrem wichtig. Und das hat uns beflügelt.
Franziska: Dankeschön Johannes. Und Dankeschön Christian (kommt in den Raum)
Christian: Ja, danke auch euch beiden. Da bin ich wieder. Und wie der Gastgeber bei einem 1 zu 1, bin ich jetzt ganz gespannt zu hören, wie es euch ergangen ist. Franziska, wie geht es dir? Du hast ja heute die Überraschung gehabt.
Franziska: Also die Überraschung ist gelungen! Ich wusste von gar nichts und es war total schön, auf Johannes zu treffen. Aber damit habe ich wirklich nicht gerechnet und wir haben wunderbar resoniert über all die Themen, die im letzten Jahr im „Miteinander“ entstanden sind und hatten ein gutes Miteinander, Johannes, nicht wahr?
Johannes: Absolut, ja. Es hat ganz viel Spaß gemacht. Vielen Dank, Christian, für die Verknüpfung
Christian: Ja, vielen Dank dir, Johannes, und auch natürlich Franziska, dass ihr euch auf ein Blind Date eingelassen habt. Ich bin sehr gespannt zu hören über das Miteinander davon. Ich bedanke mich auch bei den Zuhörerinnen und Zuhörern für die Aufmerksamkeit. Und vielleicht hat ja der eine oder die andere von euch Lust auch mal überrascht zu werden oder hat ein feines Thema, mit dem irgendjemand überrascht werden sollte. Da freuen Franziska und ich uns auf Zuschriften. Und so hoffe ich, dass ganz viel Miteinander ihr mitnehmt nach diesem Gespräch. Vielen Dank.